Ja, Vögel können durch Windkraftanlagen sterben. Doch das eigentlich Problem ist ein anderes:

Nein, wir sprechen nicht von Katzen.

Eine Hochrechnung der Staatlichen Vogelschutzwarten im Jahr 2017 hat ergeben, dass jährlich in Deutschland ca. 100–115 Millionen Vögel an Glas verunglücken. Brutvögel sind davon genauso betroffen wie Durchzügler und Wintergäste.

Für fast völlig verglaste Bürogebäude in der Nähe von Parks beträgt die Kollisionsrate zwischen 50-60 Vögel pro Monat in Mitteleuropa (Schlusen & Heimel 2011). Am Beispiel des Post Tower Bonn ergaben sich sogar rund 900 Vogelkollisionen pro Jahr (Haupt 2009).

Jede Glasscheibe hat ein Gefährdungspotenzial, denn Vögel können Glas nicht als Hindernis wahrnehmen. Wie wir Menschen, nehmen Vögel Hindernisse optisch wahr. Hinzu kommt, dass Vögel durch die meist seitlich am Kopf liegenden Augen eine Rundumsicht haben und nicht wie wir Menschen ein fokussiertes, stereoskopisches Bild. Sie sehen den vor ihnen liegenden Bereich quasi aus dem Augenwinkel. Bei Fluggeschwindigkeiten von in der Regel 30 bis 60 km/h führt dies dazu, dass wenig Reaktionszeit zum Ausweichen vor einem im letzten Augenblick erkannten Hindernis bleibt.

Vögel können mit nahezu allen Arten von Glasscheiben kollidieren. Problematisch sind freistehende Glaswände oder Glasgänge mit Durchsichten sowie zusammenhängende Glasbereiche über 6 m². Je mehr Vegetation sich in der Glasscheibe spiegelt, desto größer ist die Vogelschlaggefahr, d.h. in der Nähe von Bäumen ist Glas besonders fatal: Bei Anwesenheit von Bäumen mit einer Höhe von mehr als zwei Gebäudestockwerken besteht ein 3,6-fach höheres Kollisionsrisiko als bei Gebäuden in einem baumlosen Umfeld. Die Ermittlung und Bewertung des Kollisionsrisikos an vorhandenen Bauwerken kann grundsätzlich über ein Vogelschlagmonitoring erfolgen.

Prinzipiell steigt mit zunehmender Glasfläche das Kollisionsrisiko. Bei hoher Vogelaktivität und attraktiver Umgebung können aber auch schon verhältnismässig kleine Glasflächen an Gebäuden ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko darstellen. Von vornherein besonders bedeutend ist dieses Risiko an transparenten Gebäudeelementen wie Lärmwänden oder Windschutzwänden, Glasbrüstungen, Verbindungsgängen und verglasten Brücken sowie Eckverglasungen. Hinzu schaffen nachtleuchtende architektonische Statements, oder die aktive Bürobeleuchtung, vermehrt Gefahrensituationen.

Generell erhöhen die folgenden Faktoren das Risiko von Kollisionen:

  • transparente Konstruktion (z. B. mit Durchsicht auf freien Himmel oder auf Landschaft/Vegetation hinter dem Glas)
  • Spiegelungen von Vegetation oder freiem Himmel
  • Größe des Bauwerkes (Größe und Anzahl der Scheiben)
  • nächtliche Beleuchtung oberhalb der umgebenden Bebauung (Hochhäuser)
  • helle Innenbeleuchtung auch in Bodennähe, die rastende Zugvögel anlockt
  • Standort in der Nähe von Habitaten, die Vögel anziehen (z. B. Nähe zu Gehölzvegetation)

Ermittlung und Bewertung des Kollisionsrisikos

Die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzarten hat ein neues Bewertungsschema entwickelt, mit dem man die Gefährlichkeit von Glas an Bauwerken abschätzen kann: Vermeidung von Vogelverlusten an Glasscheiben – Bewertung des Vogelschlagrisikos an Glas

Für jedes Kriterium des Bewertungsschemas werden Punkte von 1 (gering) bis 4 (sehr hoch) vergeben

  1. Anteil der frei sichtbaren Glasfläche ohne Markierung; < 25 % bis > 75 %
  2. Fassadengestaltung von der Lochfassade mit 1,5 m² Fensteröffnungen bis zur Fassade mit zusammenhängenden Glasflächen > 6 m²
  3. Umgebung von dichter Bebauung und > 75 % Versiegelung bis zu naturnahen Flächen mit < 15 % Versiegelung
  4. Abstand unmarkierter Glasscheiben zu Gehölzen von > 50 m bis < 15 m

Unter dem Schlagwort Animal Aided Design werden bewusst Strukturen geschaffen, die Tieren als Nahrungsraum, Nistplatz oder Versteckmöglichkeit dienen. Ohne gleichzeitige Massnahmen gegen Vogelanprall ist die Förderung der Artenvielfalt für Vögel jedoch kontraproduktiv, da sie nur zusätzliche Vögel in eine ökologische Falle lockt.

Unwirksame Maßnahmen für Gebäude

  • Greifvogelsilhouetten: Die häufig verwendeten Greifvogelsilhouetten haben erwiesenermaßen keine Wirkung. Vögel weichen den Hindernissen ein paar Zentimeter aus und prallen gegen das Glas daneben
  • UV-Markierungen: Nachträglich aufgebrachte UV-Licht reflektierende Markierungen mittels Folien oder Stiften sowie sogenannte UV Sticker sind nicht geeignet. Genrell kann UV Licht nur von bestimmten Vogelfamilien unter bestimmten Bedingungen und nicht bei der schnellen Bewegung wahrgenommen werden
  • Laser zur Erzeugung feiner Linien
  • Hohe Dichte bzw. ein hoher Deckungsgrad von Markierungen bedeutet nicht mehr Vogelschutz

Hoch wirksame Vogelschutzmarkierungen

Welche Markierungen können fliegende Vögel als Hindernis erkennen? Beim Abstand zwischen den Markierungselementen geht es nicht um Wahrnehmung, sondern um Verhaltensreaktionen – ob etwas, das der Vogel sieht, ihn auch zu einer Richtungsänderung veranlasst. Wird eine Gefahr erkannt, kommt es zu schnellen unbewussten Reaktionen. 

Gemäß der 2022 Publikation der Schweizerische Vogelwarte, der Wiener Umweltanwaltschaft, des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und des LBV Landesbund für Vogelschutz in Bayern Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht erweisen sich folgende Maßnahmen gemäß dem WIN-Test (Spiegelungen) als hoch wirksam für Fenster und Fassaden:

  1. Streifen: Vertikal unterbrochene Doppelstreifen als Rechtecke mit 8×30 mm (Siebdruck ähnlich Ätzton)
  2. Punktraster: Metallische Punkte mit 9 mm Durchmesser im Abstand von 90 mm (Aluminium Mehrschicht)

Diese Muster müssen über die gesamte Scheibe angebracht werden. Hierbei können bereits Gesamtdeckungsgrade von 5 – 10 % ausreichen.

Gut kontrastierende horizontale Streifen werden ab 3 mm Breite ausreichend gut wahrgenommen, bei vertikalen Streifen gelten 5 mm als Mindestbreite. Für Punkte liegt das Minimum bei 9 mm Durchmesser. Je geringer der Kontrast, desto grösser müssen Streifenbreite bzw. Punktdurchmesser sein. Je stärker eine Glasscheibe spiegelt, desto schwieriger wird es, starke Kontraste zu erzeugen 

Die Nachrüstung dieser Markierungen mit Hilfe von Folien ist teurer als der Neukauf vogelfreundliche Glasprodukte, da Nachrüstungsmassnahmen eine geringere Haltbarkeit aufweisen und regelmässig erneuert werden müssen.

Auch die DGNB verweist im Kriterienkatalog 2023 für den Gebäude Neubau auf die genannte Publikation sowie auf den NABU Handlungsleitfaden: Artenschutz an Glasflächen zur Vermeidung von Vogelkollisionen

Für den Bestand empfiehlt sich kostengünstig

  • Spannen von 3 mm dicken, farbigen Schnüren vertikal und im Abstand von 10 cm zueinander vor der Scheibe - als Acopian Bird Saver bekannt
  • Stahlnetze mit mindestens 3 mm Materialstärke und maximal 10 cm, wie sie zur Fassadensicherung und -begrünung genutzt werden
  • Vollflächige künstlerische Nachrüstung mit Farben (keine Lücken höher als 5 cm bzw. breiter als 10 cm)